Förderpreis 2016 vom DBHW

Im Jahr 2016 wurde unser Engagement mit einem ganz besonderen Preis belohnt, dem 12. Förderpreis des Deutschen Bindenhilfswerkes E.V. Duisburg (DBHW).

Unter dem folgenden Link findet sich der Bericht des DBHW über die Preisverleihung:

https://www.blindenhilfswerk.de/aktuelle-pressemitteilungen/dbhw-verleiht-12-foerderpreis/

Die folgenden Texte aus der Festschrift zur Förderpreisverleihung dürfen wir mit freundlicher Genehmigung von Frau Verena Bentele und dem DBHW auf unserer Internetseite veröffentlichen.

Grußwort von Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VDK zur Preisverleihung

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

liebe Mitglieder und Freunde der Blinden- und Sehbehindertenwassersportgemeinschaft Moers e.V.

der Duden definiert „Motor“ als „Kraft, die etwas antreibt“. In diesem Sinne ist Sport ein unverzichtbarer Universal-Motor. Das Deutsche Blindenhilfswerk (DBHW) rückt diese wichtige Erkenntnis mit der Verleihung seines 12. Förderpreises an die Blinden- und Sehbehindertenwassersportgemeinschaft Moers e.V. (BSWG) wieder einmal nachhaltig ins Bewusstsein.

Die Angebote der BSWG ermöglichen es  blinden und sehbehinderten Sportlern, sich gemeinsam mit nicht beeinträchtigten Sportlern auf dem Wasser zu bewegen und sich im Wettkampf auf Augenhöhe mit ihnen zu messen. Aus der Aktivierung der eigenen Fähigkeiten, aus dem gemeinsamen Training von Kraft und Können, entsteht ein neues, einzigartiges Körper- und Lebensgefühl. Als ehemalige Leistungssportlerin kenne ich dieses Gefühl sehr genau. Sich und anderen zeigen zu können, wozu man fähig ist und sich für seinen Einsatz mit dem Wissen zu belohnen, alles gegeben zu haben, ist unbeschreiblich.

Die BSWG Moers e.V. eröffnet blinden und sehbehinderten Menschen den Zugang zu neuen Sportarten. Mit der Freude an der Herausforderung wächst auch der Inklusionsgrad. Ich habe für meine Arbeit das Motto „Inklusion bewegt“ gewählt. Der 12. Förderpreis des DBHW beweist „Bewegung schafft Inklusion“ ist genauso richtig.

Wenn Sport ein Motor der Inklusion ist, dann nicht nur wegen des gemeinsamen Erlebens von Sieg und Niederlage, sondern weil er soziale Gemeinschaft ermöglicht. Joachim Ringelnatz beschreibt das so:

„Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine,/ kürzt die öde Zeit,/

und er schützt uns durch Vereine / vor der Einsamkeit.“

Wie anders können wir Inklusion schaffen, als indem wir uns aufeinander zu bewegen? Ich danke dem DBHW und der BSWG Moers e.V. dafür, dass sie Menschen mit und ohne Behinderungen jeden Tag dazu bewegen, sich zu bewegen und sich bewegen zu lassen. Uns allen wünsche ich dafür in Zukunft weiterhin gutes Gelingen!

Mit einem freundlichen Gruß

Ihre

Verena Bentele

Integration auf dem Wasser (von Brigitte Otto-Lange)

Blinde Menschen und Wassersport – geht das?

Ja, und ob das geht. Es gibt kaum eine Sportart im oder auf dem Wasser, die nicht auch von sehbehinderten und blinden Menschen ausgeübt werden kann.

Nach meiner Erblindung war die erste Begegnung mit dem Wassersport ein Kurs im Wasserskifahren. Vier blinde und sehbehinderte Teilnehmer aus Deutschland nahmen seinerzeit an diesem Kurs im belgischen Gent teil. Zuerst kam die Theorie. „Hört sich ja alles nicht so schwierig an“, dachten wir. Nun aber kam der unangenehmste Teil des Kurses: Da es nur sehr wenige Surfanzüge gab, und wir keine eigenen hatten, mussten wir in den nassen Anzug unserer Vorgängerin schlüpfen. Ein schreckliches Gefühl ist das. Nachdem das überstanden war, ging es ins Wasser. Das war auch nicht viel wärmer, aber nun war die Aufregung schon so groß, dass wir das kaum noch als störend wahrnahmen. Die Ski wurden angebracht, die Knie angezogen, und der Haltegriff wurde uns in die Hände gelegt. Der Motor tuckerte los, und schon war es vorbei! Wie die meisten Anfänger machten auch wir den Fehler, uns vom Boot aus dem Wasser ziehen zu lassen.  Dabei sind die Hände dann irgendwann vor den Füßen, und der Sturz ins Wasser ist nicht mehr zu vermeiden. Nach ein paar Versuchen hatten wir den Dreh aber dann raus.

Ich stand tatsächlich auf dem Wasser und wurde vom Boot gezogen. Ein tolles Gefühl!

Als Nächstes habe ich dann den Schwimmwettkampf für mich entdeckt. Auch hier ist die Hilfe einer sehenden Person wichtig, um gezielt die Wendemarke zu erreichen und nicht unliebsam gegen den Beckenrand zu schwimmen. Beim Schwimmen gibt es keine Einschränkungen: Alle Schwimmtechniken sind von blinden Menschen erlernbar.

Dann endlich fand ich die Blinden- und Sehbehindertenwassersportgemeinschaft Moers (BSWG). Neben vielen netten Menschen lernte ich hier die Vorzüge des Paddelns und des Ruderns kennen. Der blinde Sportler und der sehende Steuermann paddeln gemeinsam in Doppelkajaks – außer bei Wettkämpfen, in denen der sehende Begleiter ausschließlich steuert.

Da nicht alle Mitglieder an Wettkämpfen teilnehmen konnten, fuhren wir zusammen mit dem Wassersportverein Moers (WSV) über die Jahre verteilt viele Kilometer auf den umliegenden Gewässern. Neben den Doppelkajaks wurden hier auch Kanadier, die mit einem Stechpaddel gefahren werden, eingesetzt. Ein Highlight für unsere älteren Mitglieder war ein Zehnerkanadier. Auch dieses Boot wird mit einem Stechpaddel gefahren, und da viele Paddel das Boot vorwärts trieben, bekam es eine gute Geschwindigkeit und gab auf unseren Touren oftmals das Tempo an. In späteren Jahren fuhren ein paar wagemutige Sportler unseres Vereins gemeinsam mit sehr erfahrenen Paddlern des WSV Moers unter der Leitung von Markus Kosinski, der viele Jahre auch uns trainierte, in einem Zehnerkanadier auf dem Rhein. Vorbei ging es an großen Frachtschiffen, die ordentlich Wellen verursachten und unser Boot ins Schaukeln brachten. Da wir aber immer genügend Abstand hielten und allesamt kräftig paddeln konnten, war es zu keiner Zeit gefährlich – ein tolles Erlebnis.

Dank der Initiative von Birgit Kempkes des Segelclub Bayer Uerdingen (SKBUE) lernten wir schließlich auch das Segeln und erlangten sogar den Sportsegelschein. Für mich ist der Moment, in dem der Motor abgeschaltet wird und der Wind das Segel erfasst, einer der schönsten Augenblicke beim Segeln. Viele schöne Stunden verbrachten wir während unseres Kurses auf dem Elfrathersee.  Anschließend zog es uns hinaus aufs Ijsselmeer, die Ost- und Nordsee, und einige blinde Segler sogar auf das Mittelmeer und den Atlantik. Segeln ist ein Sport, der die Gemeinschaft fördert und zusammen mit den sehenden Begleitern dem blinden Sportler viele Möglichkeiten bietet. Die herzliche Aufnahme der sehbehinderten und blinden Segelschüler im SKBUE beweist wie einfach Integration sein kann.

Fünf Wassersportarten hatte ich nun kennengelernt und die sechste, für mich durchaus die attraktivste und spannendste Sportart, ist das Windsurfen. Einer unserer Sportler, der mit seiner Sehbehinderung das Windsurfen schon einige Jahre betrieb, nahm nach seiner Erblindung Kontakt zu Harry Voigt und seiner Surfschule „Surf‘n Smile“ in Essen auf. Finanziell unterstützt durch das DBHW fand schon bald ein Surfkurs in Hindeloopen in den Niederlanden statt. Erstaunlich schnell erlernten wir die Grundtechniken des Windsurfens, und nach einem weiteren Kurs machten wir alle unseren Surfschein.

Durch die langjährige Teilnahme an den europäischen Surfwochen, die der belgische Behindertensportverband für Menschen aller Behinderungsklassen regelmäßig ausrichtete, konnten wir unsere Surftechniken vertiefen. Hier lernten wir alle Manöver und den Umgang mit den verschiedenen Windgeschwindigkeiten. Es ist ein unbeschreibliches und extrem starkes Gefühl, wenn der Wind ins Segel geht und das Surfbrett übers Wasser gleitet.

Zum Abschluss einer jeden Surfwoche gab es eine Regatta. Ein Heidenspektakel war das immer. Jeder versuchte vor der sogenannten Startlinie auf dem Wasser eine gute Position zu erlangen und wartete angespannt auf das Startsignal. Dann hieß es nur noch Segel hoch und nichts wie weg. Da oftmals 20 Surfbretter gleichzeitig auf dem Wasser und zu Beginn der Regatta nahe beieinander waren, knubbelte es sich am Anfang sehr, und jeder versuchte sich schnell aus dem Tumult zu befreien. Unsere Gruppe meisterte diese Regatten mit Bravour und belegte in allen Schadensklassen die ersten Plätze.

Natürlich wollten wir auch in Deutschland regelmäßig surfen, und so fanden wir in der Surfschule „Beachline Xanten“ von Georg Verfürth genau den richtigen Ort und die richtigen Menschen. Wir wurden mit offenen Armen empfangen. Durch das große Engagement von Georg und den anderen Begleitern wird uns hier der herrliche Sport ermöglicht.

Zum Beginn unserer Surfkurse in Belgien wurden wir von einem auf einem Surfbrett stehenden und mit einem langen Paddel ausgestatteten Surfer begleitet. „Verrückter Kerl“, dachten wir damals. Heute stehen wir selbst auf dem Wasser auf unseren Stand-Up-Paddling Boards (SUP). Hierbei werden das Gleichgewicht und sämtliche Muskeln im Körper ungemein trainiert. Da wir an unserem geliebten Waldsee in Moers oftmals zu wenige Begleiter haben, fahren wir, wenn es zu wenig Wind gibt, nun auf der „Südsee“ bei der Beachline Xanten auf unseren SUPs. Auch an diesem wunderschönen Ort ist Integration keine leere Worthülse. Der großzügige Förderpreis des DBHW ermöglicht es uns, den kostspieligen, weil begleitungsintensiven Sport nun regelmäßig auszuüben. Vielleicht können wir ja auch irgendwann einmal unseren Traumrealisieren, für eine längere Zeit auf der Ostsee zu surfen, wo wir gleichbleibende Winde hätten. Das jedenfalls ist unser nächstes Ziel.

Brigitte Otto-Lange ist die Vorsitzende der Blinden- und Sehbehindertenwassersportgemeinschaft Moers (BSWG). Die Organisation wurde 2016 mit dem Förderpreis des Deutschen Blindenhilfswerks für seine Leistung im integrativen Wassersport und der Projektidee, weitere Wassersportarten zu etablieren, ausgezeichnet.